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Die Bergisch Gladbacher Stadtgeschichte begann vor 750 Jahren
STADTGESPRÄCH. Im Jahr 2021 ist es 750 Jahre her, seit Bergisch Gladbach, damals noch als Gladebag, im Jahre 1271 erstmals urkundlich erwähnt wurde. Darüber und über manch andere geschichtliche Besonderheiten sprach GL KOMPAKT mit Dr. Lothar Speer, langjähriger Fachbereichsleiter Kultur und ehemaliger Vorsitzender des Stadtverbandes Kultur.
Hans-Werner Klinkhammels
VON HANS-WERNER KLINKHAMMELS
Herr Dr. Speer, Sie gelten als der Fachmann des Mittelalters. Nun denn, jetzt geht es um Bergisch Gladbach, die Stadt, die vor genau 750 Jahren erstmals urkundlich erwähnt wurde. Das war 1271, mittendrin im Mittelalter. Wie muss man sich das Leben damals vorstellen und wo genau war denn Bergisch Gladbach?
Bergisch Gladbach gab es zu dieser Zeit noch nicht, allenfalls eine Ansammlung bäuerlicher Häuser, darunter den Fronhof, eine Mühle und eine „capella“. Das Dorf befand sich etwa zwischen dem heutigen Konrad-Adenauer-Platz und der Odenthaler Straße.
Den Ordnungsrahmen bildete die Grundherrschaft, die den Grafen von Berg gehörte. Der Vertreter des Grafen in dieser Herrschaft war der Meier, der auf dem Fronhof (= Herrenhof) saß. Das Leben wurde beeinflusst durch die Jahreszeiten, die den Menschen diktierten, was wann zu säen und zu ernten war. Und so gab es Jahre, in denen Hunger herrschte und solche, in denen es sich einigermaßen gut leben ließ. Die Bauern hatten dem Grundherrn die Pacht zu entrichten und Dienste zu leisten sowie der Kirche den Zehnten zu zahlen. Entlang der Strunde muss es recht sumpfig gewesen sein, sodass die Besiedlung im Gegensatz zu Paffrath und Lückerath spät erfolgte. Diese Entwicklung war wohl mit ein Grund dafür, dass Gladbach an der Wende des 13. zum 14. Jahrhundert noch keine vollwertige Pfarrei ausgebildet hatte, sondern in den Quellen noch als „capella“ geführt wird. Das Dorf lag abseits der großen alten Straßen, die an Paffrath (Heerweg/Kölnische Straße) und Bensberg (Brüderstraße) vorbeiführten.
Wann und von wem wurde diese allererste Urkunde entdeckt oder hat der Bergisch Gladbacher immer gewusst, dass es eine solche Urkunde gibt?
Wer die Urkunde entdeckt hatte, kann ich nicht sagen. Sie wurde zugunsten des Klosters Altenberg ausgestellt, sie gehört in den Bestand des Klosters Altenberg, der im Landesarchiv in Duisburg aufbewahrt wird. Ediert wurde sie von Hans Mosler im Urkundenbuch der Abtei Altenberg, das 1912 in Bonn erschien. Damit konnte man die Urkunde lesen, ohne Paläograph zu sein. Die Urkunde war auch schon vor ihrer Edition bekannt, aber nicht der breiten Öffentlichkeit. Ausgestellt wurde die Urkunde in der Kirche zu Paffrath.
Graf Adolf von Berg entließ Angehörige der Gladbacher Grundherrschaft aus seiner Hörigkeit zu Gunsten des Klosters Altenberg. Die Nennung Gladbachs ist also ein Zufallsprodukt.
Gibt es in der damaligen mittelalterlichen Periode Zeitpunkte, die als äußerst markant für die Entwicklung der Stadt angesehen werden können?
Ein markanter Einschnitt in das bäuerliche Leben und eine Fortentwicklung lässt sich am Ende des Spätmittelalters Ende des 15./Anfang des 16. Jahrhunderts feststellen, nämlich durch den Aufschwung des Schleiferhandwerks. Einer Urkunde Herzog Gerhards von Berg von 1472 ist zu entnehmen, dass es in Gladbach eine Messerschleiferbruderschaft gab. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts lassen sich dann auch die entsprechenden Schleifmühlen nachweisen. Anstoß zur Entwicklung dieses Handwerks gab wohl die Nachfrage Kölner Waffenschmiede und Harnischmacher. Letztere ließen ihre Harnische im ausgehenden 15. Jahrhundert auf bergischen Poliermühlen bearbeiten. Damit beginnt eine vorindustrielle Entwicklung im Bereich der Metallverarbeitung und der Grundstein wird dafür gelegt, dass das Dorf sich zum Kern der späteren Stadt entwickelt.
Die Franzosen waren hier, die Preußen waren hier – woraus hat die Stadt den größeren Nutzen gezogen?
Die Franzosen brachten den Code Civil und damit ein modernes bürgerliches Recht. Durch die Preußen wurde Bergisch Gladbach 1856 erst formal zur Stadt, indem durch die Stadtrechtsverleihung der Ordnungsrahmen gesetzt wurde, sich zu einer Stadt zu entwickeln. Beide „Besatzungsmächte“ haben so ihre Spuren hinterlassen, die gleichermaßen für die heutige Entwicklung wichtig waren.
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